Eigentlich hatten wir diesen Begriff der Datenautobahn als „so 90's“ abgelegt und zumindest die Älteren unter uns erinnern sich noch mit einer Mischung aus Wohlwollen und Grausen an piepsende Modems und „weltweites Warten“. Nun startet die Telekom mit ihrer Ankündigung, bei Neuverträgen eine Geschwindigkeitsdrosselung nach einem bestimmten Inklusivvolumen einführen zu wollen, einen wohl unfreiwilligen Retro-Trend – man verzeihe mir daher diesen Griff in die verbale Mottenkiste.
Wer bitte hat die Telekom darin beraten, vom inzwischen zum Standard gewordenen Status Quo der bedingungslosen Flatrate Abstand zu nehmen? Das ist nicht nur ein absurder Anachronismus, sondern zeugt auch von so viel Großzügigkeit wie ein Hotel, das dem Gast die zweite Tasse Kaffee beim Frühstück in Rechnung stellt und die Käsescheiben abzählt. Gibt’s zwar, aber wohl fühlt man sich als Kunde damit nicht – und ob man beim nächsten Mal dort eincheckt, ist fraglich.
Dabei geht es gar nicht mal darum, dass selbst 75 GB im Monat für einen Großteil der Nutzer locker ausreichen wird, auch wenn man ordentlich Daten saugt, permanent Web-TV laufen hat oder den lieben langen Tag Online-Games zockt. Es war bisher eine stille Übereinkunft zwischen Kunden und Anbietern, dass der eine Kunde des anderen Datenlast trägt und alle Beteiligten mit den ständig sinkenden Preisen und steigenden Bandbreiten gut leben können.
Die Idee ist auch ein Schlag ins Gesicht für alle, die auf zeitgemäße Web-Services statt Software setzen. Da hat man über Jahre hinweg versucht, den so nebulös-unglücklichen wie etablierten Begriff der Cloud mit Leben zu füllen und jetzt sollen sich auf einmal die Kunden von TV-Diensten, Mediatheken und Online-Gaming-Diensten auf den neuen Abrechnungsmonat freuen müssen und immer mit einem schlechten Gewissen im Hinterkopf surfen? Auch ist die Reglementierung ein denkbar schlechtes Signal für den Internetstandort Deutschland. Anderswo statten Unternehmen und Kommunen den öffentlichen Raum mit (meinetwegen werbefinanziertem) Gratis-WLAN aus und hierzulande sollen wir wieder mit Fußnoten und Sonderkonditionen gegängelt werden.
Für die Jüngeren unter uns: 384 Kbit/s,das ist eine heutzutage nur noch in einzelnen ländlichen Regionen als „Bauern-DSL“ verspottete Surfgeschwindigkeit, die weder für entspanntes Youtube-Schauen noch für diverse andere Anwendungen ausreicht. Dabei hatte man schon Hoffnung schöpfen können – als nämlich der ehemalige Staatsbetrieb kürzlich die Fon-Community adoptierte – deren Credo „mi casa es su casa“ oder besser „mi conexión es su conexión“ zeugt viel mehr von einem zeitgemäßen Denken in Sachen Datenverkehr. So hätte sich die Telekom gerade mal von ihrem Image als unflexibler ehemaliger Staatsbetrieb lösen können und jetzt bringt das Marketing all das, was man in den letzten Jahren mühevoll aufgebaut hat, wieder zum Einsturz. Ob bei den Telekom-Konkurrenten, die es bis heute schwer haben aufgrund veralteter Regelungen beim Aufschalten von Anschlüssen und für sie ungünstigen Bezahlmodellen für die Leitungsnutzung und die „letzte Meile“, schon die Sektkorken knallen? Immerhin hat sich jetzt selbst die Bundesregierung eingeschaltet - und das wohl nicht nur aus wahlkampftaktischen Gründen. Schließlich wären wir damit wieder beim Thema Netzneutralität.